Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 23.08.2012
- 1 Ws 248/12 -
Spendensammler haben sich mit plakativen Mailings nicht strafbar gemacht
OLG Celle: Spender wurden durch Spendewerbeanschreiben für eine Krebsforschung nicht getäuscht
Bei
den plakativen Spendewerbeanschreiben (sog. Mailings) eines
Spendenunternehmens, die damit wirbt, eine sofortige Spende könne die
Krebsforschung zeitnah fördern, handelt es sich nicht um einen Betrug
nach § 263 StGB. Dies entschied das Oberlandesgericht Celle.
In
dem zugrunde liegenden Fall warben die drei Angeschuldigten mit ihren
Unternehmen in einem Zeitraum von etwa sechs Jahren mehr als 12,5
Millionen Euro Spenden
für die Krebsforschung ein. In plakativen Spendenwerbeanschreiben (sog.
Mailings) wurde behauptet, eine sofortige Spende könne die
Krebsforschung zeitnah
fördern. Von den Einnahmen flossen der Krebsforschung nach den
Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Hannover zwischen 0 % im ersten
Jahr und mehr als 40 % im Januar 2010 zu. Mit den übrigen Einnahmen
wurden weitere Werbeaktionen finanziert. Die Staatsanwaltschaft
ermittelte wegen des Verdachts des Betruges und veranlasste
Durchsuchungen bei zwei der Angeschuldigten.
Spender wurden durch Mailing-Aktion nicht getäuscht
Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte vor dem Landgericht Hildesheim unter
anderem Anklage wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs erhoben. Zu einer
Verhandlung vor Gericht kam es dennoch nicht: die 5. große
Wirtschaftsstrafkammer lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Der
wichtigste Aspekt der Entscheidung ist, dass die Angeschuldigten die
Spender nicht getäuscht haben. Es handele sich bei den Angaben in den
Schreiben um übertriebene Werbung, jedoch nicht um
Tatsachenbehauptungen. Es sei nicht der Eindruck erweckt worden, die
Sammlung erfolge ohne Hilfe eines spezialisierten Unternehmens
(sog. Fundraiser), und es seien keine Aussagen getroffen worden, wann
und in welchem Umfang die Spenden an die Krebsforschung weitergeleitet
würden. Die Angeschuldigten hätten auch nicht den Eindruck erweckt, ihre
Unternehmen betrieben selbst Krebsforschung. Die Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft haben zudem nicht ergeben, dass sich die
Angeschuldigten an dem Spendenaufkommen persönlich bereichert haben und
dass der Einsatz der professionellen Fundraiser-Unternehmen übertrieben
teuer gewesen sein könnte.
Entschädigung für finanzielle Nachteile des Unternehmens während Durchsuchungen
Das Oberlandesgericht Celle bestätigte die
Entscheidung des Landgerichts. Der an die Angeschuldigten gerichtete
Vorwurf, zu lange zu hohe Beträge in die Organisation der
Spendenerwirtschaftung gesteckt zu haben, könne zwar steuerrechtliche
Auswirkungen haben und zum Entzug des Status „gemeinnützig" führen,
strafwürdiges Unrecht sei aber erst dann gegeben,
wenn die Anbindung einer größeren Zahl von Spendern dauerhaft durch
weniger kostenintensive Maßnahmen hätte gewährleistet sein können. Dass
die Angeschuldigten mit ihren Unternehmen bewusst überteuerte Strukturen
aufrechterhalten haben, lasse sich indes nach dem Stand der
Ermittlungen nicht beweisen. Die Angeschuldigten werden nun wegen der
Durchsuchungen entschädigt, soweit die Durchsuchungen zu messbaren
finanziellen Nachteilen geführt haben sollten.
Sinnvolle Verwendung von Spendengeldern müssen Spender selbst beurteilen
Den
Grundsatz „Trau, schau, wem!" sollten die Bürger immer beherzigen, wenn
sie ihr Geld in andere Hände geben. Das gilt für rentable Geldanlagen
nicht weniger als für gemeinnützige Projekte. Im vorliegenden Fall
hatten die Gerichte nur zu prüfen, ob ein strafbares Verhalten vorliegt.
Die sinnvolle Verwendung von Spendengeldern müssen die Spender selbst
beurteilen. Dabei helfen die Hinweise von Organisationen wie dem
Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen oder dem Deutschen Spendenrat e. V. oder den Verbraucherzentralen.
Entscheidung für eine Spende sollte gut durchdacht sein
Eine kritische Distanz ist also in keinem Fall fehl am Platze. Der Erfolg im Kampf gegen Krebs
oder für den Schutz des Regenwalds hängt nicht davon ab, dass man in
der Innenstadt oder wegen der bunten E-Mail einer unbekannten
Organisation sofort eine
Einzugsermächtigung erteilt, erläutert der Pressesprecher des
Oberlandesgerichts Dr. Götz Wettich und rät, die Entscheidung für eine
Spende in jedem Fall gründlich vorzubereiten.
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